Norbert Nagel
Was ist emotionale Kompetenz?
Emotionen sind die Essenz des Lebens. Ihre Grundelemente sind Wahrnehmung, Bewertung, Motivation und Gefühl. Sie sind rational in einem normativen Sinn: Sie sind unter gegebenen Umständen eine angemessene Reaktion. (vgl. Ben Ze’ev 2013 S. 152)
WAHRNEHMUNG BEWERTUNG MOTIVATION GEFÜHL
Die der Emotion zugehörenden Gefühle sind jedem Zustand des Ich zugehörig. Eric Berne, der Begründer der
, definierte einen als ein in sich kohärentes System von Denken, Fühlen und körperlichen Erleben, das mit einem bestimmten Verhalten verbunden ist. (vgl. Berne 1966 S. 364) Der Neurobiologe Luc Ciompi formulierte 40 Jahre später: Integrierte funktionelle Fühl-Denk- und Verhaltensprogramme bilden […] immer wieder die grundlegenden ‚Bausteine der Psyche‘. Denken und Fühlen sind in sämtlichen psychischen Leistungen untrennbar miteinander verbunden. (vgl. Ciompi 2005 S. 46, 48)Emotionen beginnen mit der Wahrnehmung einer Information und veranlassen nach subjektiver Bewertung zu einer Aktivität und lösen ein Gefühl aus. Emotionen sind motivierend und geben unserer Aktivität eine Richtung. In der Regel ist das Objekt der Emotionen der Mensch – wir selbst oder andere Menschen. Oder andere zu Freud und Leid fähige Geschöpfe wie Haustiere oder vermenschlichte Gegenstände. Die Gefühle geben Auskunft über unsere Beziehung zu anderen und uns selbst. Somit sind Emotionen sozialer Natur.
Emotionale Kompetenz ist die Fähigkeit zu einem schützenden Umgang mit uns selbst und zu gelingenden Beziehungen mit anderen – in privatem Miteinander ebenso wie in Kollegen-, Vorgesetzen- oder Kundenkontakten.
Der Transaktionsanalytiker Claude Steiner (2006) hat dem emotional kompetenten Verhalten die emotionale Bewusstheit vorangestellt. Ausgehend von der Wahrnehmung körperlichen und energetischen Erlebens bedarf es der Sprache, um differenziert gefühlsmäßiges Geschehen wahrnehmen und mitteilen zu können. Um der komplexen Eigenschaft der Emotion Rechnung zu tragen, ist die Reflexion der Kausalität sinnvoll. Ist das Gefühl eher durch eine andere Person der aktuellen Situation ausgelöst oder eher durch eine Erinnerung? Eher durch eine körperliche Befindlichkeit oder die Erwartung künftiger Ereignisse? Ein Schritt, der Ehrlichkeit und Mut erfordert und eine Voraussetzung ist, mich dem Gegenüber offen mitzuteilen und ebenso Aufforderung, ihm zuzuhören. Wir sind dann zur Empathie fähig und die Tür zu einer menschlichen und liebevollen Begegnung ist geöffnet.
Claude Steiner hat ein Emotionale Kompetenz Training (EKT) entwickelt, das diesen Prozess in die wertschätzende Beziehung nachzeichnet und die dafür notwendige Emotionale Kompetenz lernbar macht. Die Phasen des Trainings sind
- Stärkung durch positive Zuwendung
- Gefühlslandschaft erkunden
- Verantwortung übernehmen.
Dadurch werden stärkende Klarheit und gelingende Beziehungsgestaltung unterstützt und die positiven Funktionen von Gefühlen zur Bewältigung von herausfordernden Situationen und Stress nutzbar.
Davon zu unterscheiden sind Trainingsansätze, in deren Zentrum eher das Selbst-Empowerment und die Selbststeuerung zur Bewältigung negativer Gefühle, die als Stress erlebt werden, stehen. So zum Beispiel das Training Emotionaler Kompetenz TEK von Berking (2008) oder die Coping Strategie von Richard Lazarus (1991)
Literatur:
Ben-Ze’ev, Aaron (2013): Logik der Gefühle. Kritik der emotionalen Intelligenz. 2. Aufl., Frankfurt am Main: edition unseld 24 Suhrkamp
Berking, Matthias (2008): Training emotionaler Kompetenz. Berlin: Springer Verlag
Berne, Eric (1966): Principles of Group Treatment. New York: Oxford University Press
Ciompi, Luc (2005): Die emotionalen Grundlagen des Denkens. Entwurf einer fraktalen Affektlogik. 3. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Sammlung Vandenhoeck)
Lazarus, Richard S. (1991): Emotion and Adaptation. New York: Oxford University Press, NY
Steiner, Claude; Perry, Paul (2006): Emotionale Kompetenz. 5. Aufl., ungekürzte Ausg. München: Dt. Taschenbuch-Verl.
© Nagel www.IPE-Nagel.de 16.5.2019